Einleitung: Die neue Ära der kombinierten Veranlagung in China

Sehr geehrte Investoren und geschätzte Leser mit China-Bezug, herzlich willkommen. Mein Name ist Liu, und ich blicke auf über 12 Jahre Erfahrung bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft zurück, wo ich vornehmlich internationale Unternehmen und deren expatriierte Fachkräfte in steuerlichen Angelegenheiten betreut habe. Eine der tiefgreifendsten und gleichzeitig komplexesten Reformen, die ich in dieser Zeit begleiten durfte, ist die Einführung der kombinierten Veranlagung von Einkünften für die individuelle Einkommensteuer (IIT) in China, die 2019 in Kraft trat. Diese Reform hat das Steuersystem von einem kategorienbasierten hin zu einem teilweise synthetischen System transformiert und stellt sowohl für in China beschäftigte internationale Talente als auch für Investoren, die Gehaltsstrukturen bewerten, ein entscheidendes Thema dar. Die Frage "Wie werden die kombinierten Einkünfte der individuellen Einkommensteuer in China berechnet?" ist daher nicht nur eine technische Angelegenheit, sondern ein Schlüssel zum Verständnis der persönlichen Nettoeinkünfte, der Attraktivität des Standorts China für globale Talente und letztlich der Personal- und Vergütungskosten in Ihren Investments. In diesem Artikel möchte ich Ihnen, basierend auf meiner praktischen Erfahrung mit Hunderten von Fällen, einen detaillierten Einblick in die Mechanik, die Stolpersteine und die strategischen Überlegungen hinter dieser Berechnung geben.

Der Kern: Was fällt unter "kombinierte Einkünfte"?

Der erste und wichtigste Schritt ist das Verständnis des Begriffs selbst. Vor der Reform 2019 wurden in China neun verschiedene Einkunftsarten separat besteuert, jede mit eigenen Abzügen und Steuersätzen. Die große Neuerung ist, dass nun vier dieser Kategorien am Jahresende zusammengeführt (kombiniert) und gemeinsam veranlagt werden können. Konkret handelt es sich dabei um: 1. Lohn- und Gehaltseinkünfte, 2. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (z.B. von Schriftstellern oder Anwälten), 3. Vergütungen für Autor- und Urheberrechte, und 4. Leistungsvergütungen. Stellen Sie sich vor, ein hochrangiger Manager erhält ein Gehalt, hält gelegentlich bezahlte Vorträge (selbständige Arbeit) und erhält Tantiemen für ein Fachbuch. Früher wurden diese drei Ströme isoliert betrachtet. Heute werden sie, sofern gewählt, in einen Topf geworfen. Warum ist das relevant? Weil das progressive Steuertarifsystem mit Sätzen bis zu 45% zur Anwendung kommt. Einzelne, mittlere Beträge blieben vorher vielleicht in niedrigeren Progressionen, in der Summe kann sich jedoch ein deutlich höherer Grenzsteuersatz ergeben – ein klassischer "Zusammenveranlagungs-Effekt", den man im Auge behalten muss.

In meiner Praxis bei Jiaxi erlebe ich oft, dass internationale Mitarbeiter dies unterschätzen. Ein Fall bleibt mir besonders in Erinnerung: Ein deutscher Ingenieur mit einem guten Grundgehalt nahm während eines Projekts in Shanghai mehrere gut bezahlte Schulungsaufträge an der Tongji-Universität an (als selbständige Tätigkeit deklariert). Ohne kombinierte Veranlagung wäre die Steuer auf die Honorare moderat gewesen. Durch die Zusammenführung mit seinem hohen Gehalt rutschte ein erheblicher Teil dieser Zusatzeinkünfte in die 35%- und 45%-Tarifstufe. Die Nachzahlung war... überraschend, um es milde auszudrücken. Die Lehre daraus: Man muss von vornherein die kumulative Wirkung aller Einkunftsquellen im Blick haben.

Berechnungsmethode: Vom Brutto zum zu versteuernden Einkommen

Die konkrete Berechnung folgt einem klaren, mehrstufigen Schema, das ich gerne als "Filterprozess" bezeichne. Zuerst werden die jahresbezogenen Bruttoeinkünfte aus den vier Kategorien addiert. Von dieser Summe werden dann spezifische abzugsfähige Beträge für selbständige Arbeit, Urheberrechte etc. (in der Regel 20% oder pauschal 800 RMB) abgezogen. Der entscheidende und oft verwirrende nächste Schritt ist der Abzug der jährlichen Sonderausgaben. Hierzu zählen die obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung etc.), die gesetzlichen Wohnungsfondsbeiträge sowie bestimmte freiwillige Beiträge zu kommerzieller Kranken- und Altersvorsorge (innerhalb gesetzlicher Limits).

Danach kommen die speziellen Abzüge zum Tragen, ein Herzstück der Reform. Dazu gehören die Ausbildungskosten für Kinder (1.200 RMB/Monat/Kind), Weiterbildungskosten für sich selbst (400 RMB/Monat oder 3.600 RMB/Jahr), Zinsen für die erste selbstgenutzte Immobilie (1.000 RMB/Monat), Mietaufwendungen (je nach Stadt 800-1.500 RMB/Monat) und Kosten für die Pflege älterer Angehöriger (2.000 RMB/Monat). Diese Abzüge sind nicht trivial – für eine Familie mit zwei Kindern, einer Hypothek und pflegebedürftigen Eltern können sich hier schnell jährliche Abzugsbeträge von über 100.000 RMB summieren. Der verbleibende Betrag ist das zu versteuernde Jahreseinkommen. Auf dieses wird nun der progressive Steuertarif (7 Stufen, von 3% bis 45%) angewendet, woraus die Jahressteuerschuld resultiert.

Die jährliche Steuererklärung (Final Settlement)

Das theoretische Konzept der kombinierten Veranlagung wird in der Praxis durch das Verfahren der Jahresabrechnung (Annual Final Settlement) umgesetzt. Dies ist ein Pflichttermin für jeden, der Einkünfte aus den kombinierten Kategorien hat und bei dem Vorauszahlungen (via monatlicher Gehaltsabzüge) nicht der endgültigen Steuerschuld entsprechen. Der Zeitraum dafür ist jeweils vom 1. März bis zum 30. Juni des Folgejahres. In dieser Phase muss der Steuerpflichtige aktiv alle relevanten Einkünfte und Abzüge in der offiziellen "Individual Income Tax" App oder beim Steueramt melden. Das System berechnet dann automatisch, ob eine Nachzahlung fällig wird oder eine Erstattung ansteht.

Hier tauchen in der Beratungspraxis die häufigsten Probleme auf. Viele Expats sind es nicht gewohnt, eine aktive Steuererklärung abzugeben. Ein Klient, ein britischer Finanzvorstand, hatte seine beträchtlichen Mietausgaben in Shanghai (über 20.000 RMB/Monat) einfach nicht in der App geltend gemacht, weil er den Abzugshöchstbetrag von 1.500 RMB/Monat für irrelevant hielt. Doch auch diese 18.000 RMB jährlich hätten seine Steuerlast spürbar reduziert. Die größte Herausforderung ist oft die Dokumentation. Quittungen für Kinderbildung, Verträge für Altersvorsorgeprodukte, Hypothekenverträge – all das muss (oft in chinesischer Sprache) vorliegen und im Zweifelsfall vorgelegt werden können. Meine Empfehlung: Führen Sie von Januar an eine digitale Steuerakte.

Strategische Planung und Fallstricke

Die kombinierte Veranlagung ist nicht nur eine reine Rechenübung, sondern eröffnet auch Raum für legale Steuerplanung – oder birgt Fallstricke, wenn man sie ignoriert. Ein zentraler Aspekt ist die Zeitliche Allokation von Einkünften. Sollte ein großes Honorar für eine selbständige Tätigkeit besser im Dezember eines Jahres oder im Januar des nächsten fließen? Die Antwort hängt vom restlichen Jahreseinkommen und der damit verbundenen progressiven Auslastung der Tarifstufen ab. Ein weiterer kritischer Punkt sind die Vergütungsbestandteile. Nicht alle Komponenten eines Gehaltspakets gehören zu den kombinierten Einkünften. Bestimmte steuerfreie Zulagen (wie pauschale Auslandsumzugsbeihilfen innerhalb gesetzlicher Grenzen) oder gesondert ausgewiesene Erstattungen von Geschäftsausgaben bleiben außen vor. Hier die Struktur klug zu gestalten, ist eine Kunst.

Ich erinnere mich an den Fall einer französischen Designberaterin, die sowohl ein Festgehalt von einer chinesischen Tochtergesellschaft erhielt als auch projektweise Honorare direkt vom europäischen Mutterkonzern. Die Verrechnung dieser Honorare und die Frage, ob sie in China als "selbständige Arbeit" oder "Dienstleistungseinkünfte" (eine andere Kategorie) zu qualifizieren waren, wurde zu einem komplexen Thema mit erheblichen steuerlichen Konsequenzen. Ohne eine klare vertragliche Zuordnung und Dokumentation der tatsächlichen Tätigkeitsorte drohte eine Doppelbesteuerung. Solche Grenzfälle sind an der Tagesordnung und erfordern oft ein abgestimmtes Vorgehen mit der Lohnbuchhaltung beider beteiligter Unternehmen.

Besonderheiten für ausländische Steuerpflichtige

Für ausländische Fachkräfte, die in China tätig sind, kommen besondere Regeln zum Tragen, die die Berechnung der kombinierten Einkünfte maßgeblich beeinflussen. Die wichtigste ist der 183-Tage-Regel. Hält sich ein Ausländer weniger als 183 Tage in einem Steuerjahr in China auf, unterliegen normalerweise nur seine in China erzielten Einkünfte der chinesischen Steuerpflicht, und zwar oft mit einem pauschalen Satz (z.B. 20% auf Löhne, ohne Abzüge). Überschreitet er die 183 Tage, wird er zum steuerlichen Ansässigen und unterliegt grundsätzlich der unbeschränkten Steuerpflicht auf sein weltweites Einkommen – wobei jedoch für ausländische Einkünfte oft ein Steuerabkommen Schutz bieten kann.

Für Ansässige ist dann aber ein entscheidender Vorteil nutzbar: Sie können die oben genannten speziellen Abzüge (Kinderbildung, Miete etc.) in voller Höhe geltend machen, was ihre Steuerlast auf die kombinierten Einkünfte erheblich senken kann. Die Krux liegt in der korrekten Anrechnung ausländischer Steuern. Hat ein Manager Teile seines Gehalts für Tätigkeiten außerhalb Chinas erhalten und dafür bereits Steuern im Heimatland gezahlt, muss dies in der chinesischen Jahreserklärung angegeben und angerechnet werden – ein bürokratisch anspruchsvoller Prozess, der ohne professionelle Hilfe schnell in die Hose gehen kann. Ein falsch ausgefülltes Formular kann die Steuerersparnis zunichtemachen.

Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Berechnung der kombinierten Einkünfte für die chinesische IIT ein mehrstufiger Prozess ist, der das Zusammenfassen verschiedener Einkunftsquellen, das strategische Nutzen aller legalen Abzüge und die aktive Teilnahme an der Jahresabrechnung erfordert. Sie stellt einen Paradigmenwechsel dar, der die individuelle Steuerlast fairer an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit knüpft, gleichzeitig aber auch erhebliche Komplexität und Compliance-Anforderungen mit sich bringt. Für Investoren und internationale Unternehmen ist ein tiefes Verständnis dieses Systems essenziell, um Vergütungspakete konkurrenzfähig zu gestalten, Steuerrisiken für entsandte Mitarbeiter zu minimieren und die Personalplanung in China präzise zu kalkulieren.

In meiner Einschätzung werden wir in Zukunft eine weitere Digitalisierung und Automatisierung dieses Prozesses sehen. Die Steuerbehörden integrieren bereits immer mehr Datenquellen (z.B. von Bildungseinrichtungen oder Banken). Der Trend geht hin zu einer vorausgefüllten Steuererklärung, die dem Steuerpflichtigen nur noch zur Bestätigung vorgelegt wird. Das reduziert Fehler, erhöht aber auch den Druck auf absolute Richtigkeit der zugrundeliegenden Daten. Zudem könnte der Katalog der speziellen Abzüge erweitert werden, etwa um Ausgaben für digitale Infrastruktur oder grüne Investments. Wer in China investiert oder talentierte Arbeitskräfte anziehen will, tut gut daran, diesen dynamischen Bereich stets im Blick zu behalten – es lohnt sich.

Einschätzung der Jiaxi Steuer- und Finanzberatung

Bei der Jiaxi Steuer- und Finanzberatungsgesellschaft betrachten wir das System der kombinierten Einkünfte nicht nur als eine regulatorische Hürde, sondern vor allem als ein Instrument zur wertschaffenden Personal- und Vergütungsstrategie. Unsere langjährige Erfahrung mit internationalen Klienten zeigt, dass die größten Einsparpotenziale nicht in aggressiven Gestaltungen, sondern in der akribischen und vollständigen Ausschöpfung der gesetzlich vorgesehenen Abzugsmöglichkeiten liegen. Viele Mandanten, insbesondere ausländische Fachkräfte, sind sich des Umfangs der speziellen Abzüge schlicht nicht bewusst. Unsere Rolle ist es, hier aufzuklären und prozessuale Sicherheit zu geben – von der korrekten Klassifizierung von Einkunftsarten über die lückenlose Dokumentation bis zur fristgerechten Einreichung der Jahreserklärung.

Wir beobachten, dass Unternehmen, die dieses Thema aktiv und transparent gegenüber ihren Mitarbeitern angehen, einen deutlichen Wettbewerbsvorteil bei der Rekrutierung und Bindung internationaler Talente haben. Ein klar kommuniziertes, steueroptimiertes Vergütungspaket, unterstützt durch professionelle Beratung, signalisiert Sorgfalt und Wertschätzung. Unser Ansatz ist daher immer ganzheitlich: Wir beraten sowohl die Unternehmen bei der Gestaltung der Vergütungsrichtlinien als auch die einzelnen Mitarbeiter bei ihrer persönlichen Steuercompliance. In einem so komplexen und sich wandelnden Umfeld wie dem chinesischen Steuersystem ist diese partnerschaftliche und präventive Herangehensweise der sicherste Weg, um Risiken zu minimieren und die finanziellen Vorteile für alle Beteiligten zu maximieren.

Wie werden die kombinierten Einkünfte der individuellen Einkommensteuer in China berechnet?